"Das Röhm" oder die ehemalige Lederfabrik in Schorndorf
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Jeden 3. Sonntag im Monat macht Kristina einen Sonntasspaziergang.
Ich habe mir für diesen Spaziergang die ehemalige Lederfabrik Röhm in Schorndorf herausgesucht, die ich im Rahmen einer Radtour im November besucht habe.
https://schwabenfrau.blogspot.com/2022/11/auf-den-spuren-des-armen-konrads.html
Es war schon sehr interessant und auch die Geschichte um diese Lederfabrik ist schon einen Besuch wert.
Gleichzeitg geht der Post heute auch an Wolfgang und Loretta.
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Die Lederindustrie hatte nicht nur in Schorndorf sondern in ganz Baden-Württemberg eine lange Tradition
Wo Wasser und ausgedehnte Schälwälder vorhanden waren, gab es eine große Anzahl von Gerbereibetrieben.
Es gab um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Gerberstadt Backnang, wie auch in Reutlingen über 100 selbständige Gerbermeister.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderten sich die gewachsenen Strukturen .
Bis dahin waren überlieferte Erfahrungen die Grundlage, auf die erfahrene Gerbermeister ihr Wissen aufbauten und damit auch erfolgreich ihre Betriebe führten, so veränderte sich dies im Laufe des Jahrhunderts, weil wissenschaftliche Methoden eingeführt wurden, um die Bedingungen zur Herstellung von Leder zu erforschen.
Erkenntnisse über gerbstoffhaltigere Gerbstoffe (Quebracho, Mimosa) kamen aus Übersee , die die einheimischen Gerbstoffe wie Eiche- oder Fichtenrinde ersetzten. Eine der wichtigen Entdeckungen war 1858 die Chromgerbung, die den Gerbprozess revolutionierte, weil die Gerbzeit hier um ein Vielfaches verkürzt wurde.
Mit dem Ausbau der Eisenbahn entstand in Württemberg und in Schorndorf eine Infrastruktur, die den Wandel der Gerbereien im 19. Jahrhundert vom Handwerk zur Fabrik machte.
Die Tradition des Gerberhandwerks in Schorndorf ist sehr lang und geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die Gerber siedelten sich in der Vorstadt, entlang den Wasserläufen vom Mittleren Tor bis zur Rems an.
Im Laufe der Jahrhunderte sollen hier alleine 400 Menschen gelebt haben. Im ausgehenden Mittelalter gehörte die Zunft der Gerber zu der angesehendsten und reichsten Bruderschaft von Schorndorf.
Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges waren verheerend. Im Jahr 1618 lebten ca. 4.200 Menschen in Schorndorf. Nach dem Brand von 1634, den Jahren der Pest und den Gräueln des Krieges, waren es im Jahr 1636 nur noch 200 Personen Nach dem Brand war die Stadt völlig zerstört und lag einige Jahre in Schutt und Asche. 1679 wurde das Quartier, in dem sich die Rotgerber früher befanden, wieder aufgebaut und einige Rotgerber erbauten sich hier stattliche Häuser.
Im 18. Jahrhundert wuchs die Schorndorfer Bevölkerung wieder an und gleichzeitig gewannen die Rotgerber an Bedeutung. Dominiert wurde das Rotgerbergewerbe durch die drei Familien, Veil, Roser und Breuninger.
Das älteste industrielle Unternehmen in Schorndorf ist die Lederfabrik Breuninger, die sich auf das Gerben von Rindhäuten und Kalbsfellen konzentrierte.
Mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 stieg die Nachfrage der Armee nach Leder an.
Christian Breuninger entschloß sich ein neues, größeres Fabrikgebäude mit Dampfkesselanlage und einem 25 m hohen Schornstein zu bauen.
Mit dem Bau des Kesselhauses und dem Schornsteins schrieben die Breuningers Industriegeschichte. Der Schornstein war der erste in Schorndorf und die Lederfabrik Breuninger gehörte damit sogar zu den ersten "Dampfgerbereien" Württembergs.
Gottlob Schmid gründete 1866 in Schorndorf die zweite Lederfabrik Er war gelernter Gerber und verbrachte seine Lehrjahre im Ausland, hier konnte er wichtige Erfahrungen hinsichtlich moderner Produktionsverfahren sammeln.
Der Herstellungsprozess von Leder war sehr aufwändig. Die angelieferte Rosshaut wurde kontrolliert und gelagert. Der eigentliche Produktionsprozess begann mit dem Reinigen der Rohaut, dem Weichen in der Wasserwerkstatt. In einer Grube wurde die Haut von Schmutz und Salz befreit, gleichzeitig wurden durch die Flüssigkeit die Poren der Häute geweitet, so dass der Gerbstoff besser in die Haut eindringen konnte. Im anschließenden Äscher wurden mittels Kalk und oftmals Hundekot die Haare von der Haut aufgeweicht, so dass im nächsten Arbeitsschritt die Haare am Schabbaum mechanisch von der Oberhaut entfernt werden konnten, aber auch die Fett- und Fleischreste an der Unterhaut wurden abgeschabt.
Nun begann der eigentliche Gerbprozess. Die Häute wurden in kleinen Fichten- und Eichenrindenstücken in die mit Wasser gefüllten Gruben geschichtet, wobei das Wasser den Rindenstücken die Lohe entzog und die Gerbstoffe in die Haut eindringen konnten, womit das Faulen der Haut verhindert wurde. Dieser Prozess dauerte über zwei Jahre, in denen die Häute immer wieder in andere Gruben umgeschichtet werden mußten, da die stinkende Lohe verbraucht war und die Gruben wieder erneuert werden mußten.
Danach wurden die Häute getrocknet. Gottlob Schmid verwendete dazu überdachte, aber an den Seiten offene Gebäude, so dass durch die natürlichen Windbewegungen den Häuten das Wasser entzogen wurde. Die Rossleder wurden nun eingefettet und mit dem Falzeisen auf die richtige Stärke gebracht, um dann mit dem Stolleisen wieder weich gemacht zu werden. Im letzten Arbeitsschritt wurde der Narben in der Zurichterei geschliffen, eingefärbt und somit in besonderer Weise und nach Bedarf veredelt.
Ab der Jahrhundertwende ging es mit der Lederfabrik bergab. Man nimmt an, dass Schmid der Tod seiner Frau zusetzte, die auch immer mitgeholfen hatte. Der Niedergang ist vielleicht auch so begründet, dass die Geschäfte nicht mehr so gut liefen, die Firma aber auch mangels Investitionen nicht mehr konkurrenzfähig war
Das Unternehmen firmierte ab dem Jahr 1907 unter dem Namwn "G. Schmid & Co (OHG)"
Schmid war 65 Jahre alt und wollte das Unternehmen in andere Hände geben.
Er starb am 18.11.1920 und er ist auf dem alten Friedhof in Schorndorf begraben.
Nun kommen wir zu Herrmann Röhm.
Er wurde am 21. 11. 1891 in Kirchheim/Teck geboren und absolviert die Realschule in Kirchheim und begann eine kaufmännische Lehre in einer Schuhwarenbedarfsartikelfirma und Ledergroßhandlung
Er fand dann eine Anstellung als Lohnbuchalter in der Mechanischen Schuhfabrik Wolf & Comp in Sontheim, einem Stadtteil von Heilbronn.
Hier war Röhm bis 1914 beschäftigt.
Er leistete seinen Wehrdienst von 1914 bis 1918 und wurde für seinen Einsatz
mit dem "Wilhelmskreuz mit Schwertern" und dem "Eisernen Kreuz zweiter Klasse". ausgezeichnet.
Röhm zeichneten Pflichtbewußtsein und Disziplin aus.
Im Jahr 1930 kam Röhm endgültig nach Schorndorf, um dann seine eigene Lederfabrik zu leiten.
Auf die Zeit Herrmann Röhms im Nationalsoialismus möchte ich hier nicht eingehen, das war mir dann doch zuviel zum Schreiben.. Aber es ist interessant und auch die weitere Geschichte, dazu unten mehr.
Jedenfalls konnte ich beim Durchblättern lesen, dass sich Herrmann Röhm auch für die Fremdarbeiter und russischen Kriegsgefangen eingesetzt hat. Röhm war Mitglied in der NSDAP.
Aus dem Spruchkammerverfahren (das sehr aufwändig war) ging er als Mitläufer hervor. Die Prozesskosten von 34.000,5 RM bezahlte er umgehend.
Hier gab es aber noch einige Querelen, bis das Verfahren endlich abgeschlossen war.
Die Lederproduktion begann in der Mitte des Jahres 1946 nur schleppend. Röhm schaute, wo er Abnehmer für sein Leder finden konnte.
Die Lage verbesserte sich ab Mitte 1946 deutlich und zu den Hauptkunden der Lederfabrik Röhm gehörten die "Salamander AG" in Kornwestheim, "Mercedes Schuhfabriken AG" in Stuttgart/Bad Cannstatt, "Wolko-Schuhfabrik in Heilbronn-Sontheim, "Hans Püls, Schuhfabrik in Burgkundstadt, "Willi Strasser Schuhfabrik" in München, sowie einige Ledergroßhandlungen in Bopfingen, Aalen und Stuttgart.
Mitte der 50er Jahre war die Lederfabrik in Schorndorf ein gut gehendes Unternehmen, auch, wenn in den Nachriegsjahren keine größeren Investitionen mehr getätigt wurden.
Herrmann Röhm war ein erfahrener Kaufmann und konnte die Zeichen der Zeit erkennen.
Mitte der 50er Jahre begann der Untergang der Gerbereien in Deutschland.
Herrmann Röhm mußte sich 1964 aufgrund seiner Diabetes einer Operation unterziehen, hier zog er sich eine Lungenentzündung zu. Am 7.9. 1964 starb Herrmann Röhm im Alter von 72 Jahren. Begraben wirde er auf dem "Neuen Friedhof" in Schorndorf.
Es gab mehrere Gründe, die für den Untergang der Lederfabrik verantwortlich waren.
Die Schuhindustrie verlagerte ihre Produktion in Billiglohnländer. Billige Häute, geringe Löhne, hohe Umweltauflagen, und die Abwanderung der Abnehmer brachten deutsche Gerbereien in große Nöte.
Im Jahr 1971 war es dann soweit, die Lederfabrik Schorndorf mußte ihre Tore nach
107 Jahren scließen.
Es gab einige Diskussionen um die Lederfabrik Schorndorf.
Heute ist sie "DAS RÖHM" und umfasst noch alle 14 historischen Backsteingebäude.
Reizvolle Nischen und Plätze, historische und neue Merkmale machen DAS
RÖHM zu einem einzigartigen Ort, der Tradition und Moderne vereint.
Im "RÖHM" hat z.B. der Bildhauer Christoph Traub, das ist der Bildhauer, der in Schorndorf die 10 Hingerichteten geschaffen hat, von denen ich schon berichtet habe, seine Werkstatt und es gibt noch mehr zu sehen.
Christoph Traub ist der Enkel des Künstlers Fritz Nuss, über den ich auch schon oft berichtet habe.
https://schwabenfrau.blogspot.com/search?q=Fritz+Nuss
Die Kunstwerke finde ich so interessant.
Es gibt auch Führungen und es ist wunderbar, was man hier zu sehen bekommt.
Wen das interessiert, der schaut sich die folgende Links an: Ich werde mit Sicherheit mal eine Führung machen, denn in manche Gebäude konnte ich nicht gehen.
https://www.das-roehm.de/gestern/historischer-rundgang.html
Wer noch mehr Interesse hat, dem empfehle ich das Buch von Herrn Dr. Peter Beck, hier kann man noch mehr erfahren.
Vor allem auch um das Spruchkammerverfahren um Herrmann Röhm.
Übrigens werde ich im nächsten Jahr wieder ins Archiv gehen, ich habe hier einige Menschen wieder entdeckt.
Dieses Büch ist auch meine Quelle.
https://www.verlag-iris-foerster.de/p/geschichte-der-ehemaligen-lederfabrik-roehm-in-schorndorf
Kristina Sonntagsspaziergang
Gartenwonne
Ich freue mich morgen auf den Adventsnachmittag in der Loge meines Schwagers, den ich mit meiner Schwester und Melitta besuchen werde.
Meine Camera nehme ich mit und mal sehen, was ich zeigen darf und kann.
Noch ein wenig Musik, ich bin gespannt, ob Armin Sabol spielen wird.
Solche Events finden oft im "Röhm" statt.
Kommentare:
AntwortenLöschenvon Helga:
AntwortenLöschenLiebe Eva,
da bist Du wieder über Dich hinausgewachsen. Richtig spannend war der Gang durch die Jahre, ich habe es sehr interessiert gelesen, denn nicht jeder konnte sich ein Stück aus Leder leisten. Hier hängt eine nagelneue Lederjacke für einen kleineren Herrn und keiner will sie. Wundern tut es mich schon etwas, daß die Gebäude und die Grundstücke noch nicht von Immobilienmaklern ins Visier genommen worden sind.
Viel Aufwand für diesen interessanten Bericht, jenseits von Weihnachtsmärkten und Engeln, da danke ich Dir herzlich. Du machst solche Berichte stets tadellos. 👍
Herzlichst Helga und Kerstin
Halli Helga,
Löschenschön, wenn es dir gefallen hat.
Ja, so ein Bericht ist zeitaufwändig, aber ich lerne ja auch noch was draus.
Ich habe sogar noch etwas, was mindestens genauso interessant ist und das auch nicht Jeder hat. Das ist schon etwas Besonderes.
Doch, hatt eich das nicht geschrieben, man hat schon in den alten Gebäuden Firmen untergebracht und es nicht nicht immer das Tor offen. Deshalb habe ich die Gelegenheit genutzt, als ich mit dem Rad vorbeigefahren bin.
Du darst schon noch vor dem Jahresende ein paar Berichte lesen und ja dann ist für eine Weile Schluß.
Ich mache ein lange Blogpause und renoviere kaufe Möbel und bekomme neue Zähne.
Da ist alles ziemlich zeitaufwändig und für Bloggen bleibt nicht mehr soviel Zeit.
Ausserdem habe ich ja auch noch eine neue Aufgabe, die ich zur Zeit auch vertretungsweiße mache.
Alles kann ich auch nicht und radeln möchte ich ja auch nocht.
Wo ich dann trotz Blogpause noch mit machen werde, das muß ich sehen.
Liebe Grüße Eva und danke für deinen Kommentar.
Nun habe ich doch noch was vergessen. Um aber auch diese Informationen zu veröffentlichen muß man einiges lesen, das findet man so nicht im Internet.
LöschenOnkel Googel weiß nicht alles und wer weiß, wie hier geschaffft wird, holt seine Information lieber dann bei den richtigen Leuten.
Das Internet weiß auch nicht alles.
Liebe Grüße Eva
Es ist überall dasselbe. In lehrstehende Gebäude zieht dann die Kunst ein. Ist hier in Wien genauso .. schön und schräg irgendwie. Tolle Bilder
AntwortenLöschenLiebe Eva,
AntwortenLöschenwieder ein sehr schöner und informativer Post. Geschichte finde ich ja generell interessant und alte Fabriken sehe ich mir gerne an, zumal, wenn auch noch die alten Maschinen vorhanden sind, was aber eher selten ist.
Ich wünsche Dir einen schönen vierten Advent.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
sehr interessant und tolle Bilder
AntwortenLöschenich finde es gut dass noch "Leben" in den Gebäuden ist
dadurch werden sie auch vor Vandalismus bewahrt
liebe Grüße
Rosi
Liebe Eva, schöne Bilder hast du von dem alten Fabriksgelände gemacht! Sehr stimmungsvoll. So viele verschiedenen Blickwinkel und Details. Dankeschön für's Zeigen und den schönen Spaziergang. Viele Grüße sendet Kristina
AntwortenLöschenWie witzig, bei dir eine Lederfabrik, bei mir eine Papierfabrik, alles schöne alte Ziegelbauten und viel Geschichte.
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