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Eine Frau, die mich schon als junge Frau fasziniert hat, ist Mia Seeger. Wer sich ein wenig für Design und Architektur interessiert, dem dürfte sie nicht unbekannt sein.
Bildquelle
Der Vater hätte lieber einen Sohn gehabt und deshalb nannte die Mutter die Tochter "Mia, die Meinige".
Der Vater hielt nicht viel von Mia und betonte immer wieder, dass aus ihr nie etwas werden würde.
Leider konnte Mia es ihm auch nicht beweisen, was aus ihr geworden ist, denn er starb vorher.
Wichig war für Mia die Großmutter Daimler, Lina, die zweite Frau von Gottlieb Daimler aus deren erster Ehe Mias Mutter stammte. Im Haus in der Nähe des Cannstatter Kurparks verbrachte sie, wohlbehütet und in großbürgerlichen Verhältnissen, einen Teil ihrer Kindheit.
Als Mia zweieinhalb Jahre alt war, am 2. Weihnachtsfeiertag 1905, verletzte sich Mia auf nicht geklärte Weise mit einer Nadel, die in die Herzgegend gelangte. Ihr Leben hing an einem Faden. Erst am 6. Februar 1906 konnte sie das Krankenhaus verlassen.
Die Nadel blieb ihr ganzes Leben im Körper. Es war der erste von insgesamt 19 Krankenhausaufenthalten von denen einige in die Weihnachtszeit gefallen sind.
Mia meinte dann immer wieder, die Ärzte seien eher an dieser Nadel, als an ihr interessiert gewesen zu sein.
Das Leben einer Offiziersfamilie bringt auch immer wieder einen Ortswechsel mit sich. Die Schulzeit absolvierte Mia an der Höheren Töchterschule in Jüterbog, im damaligen preußischen Regierungsbezirk Potsdam, in Zabern im Elsaß und - nach der Scheidung der Eltern - an der Mädchenrealschule in Bad Cannstatt.
Ihre Hinwendung zur bildenden Kunst erfolgte sicherlich in der Schulzeit und im Anschluß daran nahm sie Privatunterricht bei Albert Müller, einem Maler aus dem Hoelzelkreis.
Von 1921 - 1922 studierte sie an der Württembergischen Kunstgewerbeschule Stuttgart und in der Klasse für Buchgraphik bei Ernst Schneider.
Sie brach das Studium nach kurzer Zeit ab, weil sie sich über die Inkonsequenz ihres Lehrers in der Beurteilung ihrer Arbeiten ärgerte.
Das kommt mir nur allzu bekannt vor.
Ein Umweg führte sie in das "Haus der modernen Künste", das ein junger Architekt betrieb und ein Kohlenhändler finanzierte. Die Zeit der Inflation machte diesem Unternehmen den Garaus, der Kohlenhändler hatte kein Geld mehr und damit war das auch erledigt.
Aber dieses "Haus der Kunst" wurde sehr wichtig für Mia, weil im selben Haus und auf derselben Etage, das Büro der Württembergischen Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Werkbundes lag. Gustav Stotz, der Geschäftsführer bat
Mia Seeger um Mitarbeit bei seinen Ausstellungsprojekten.
Der Deutsche Werkbund besteht, nach einer Unterbrechung im Dritten Reich, heute noch.
Mia Seeger arbeitete mit Mies von der Rohe,
Mies van der Rohe Haus in der Weißenhofsiedlung
(eigenes Foto)
Walter Gropius, Ludwig Hilberseimer und vielen berühmten und bekannten Architekten zusammen.
Mia bezeichnete Gustav Stotz aber immer wieder als Schlüsselfigur, sowohl für den Werkbund, als auch für ihr Leben und auch das Leben fürs Design.
Mia betonte immer wieder, dass sie damals "Mädchen für alles war", sie habe Blumen gegossen, Briefe geschrieben,
Leute durch die Siedlung und Ausstellungen geführt und empfehlenswerte Produkte gezeigt.
In einer Parallelausstelung wurde im Sinne des Werkbundes empfehlenswerte Produkte gezeigt.
Lilly Reich, stand bis zu ihrem Tode mit Mia Seeger in Verbindung machte Mia vor, was diese später selbstsicher und überzeugend selbst getan hat.
Nach Abwicklung der Ausstellung in Stuttgart ging
Mia Seeger in die Werkbund-Zentrale in Berlin.
Sie wurde im Jahr 1930 mit der Geschäftsführung der deutschen Abteilung bei der Ausstellung
Im Dritten Reich wurde der Deutsche Werkbund aufgelöst und Mia war zunächst arbeitslos. Sie arbeitet mit
Hermann Gretsch am Landesgewerbeamt und wurde dann Lektorin und Redakteurin im Julius Hoffmann Verlag,
dem bekannten Fachverlag für Architektur, Handwerk und Kunstgewerbe.
Dafür mußte sie ein Buchändlerexamen ablegen und das ärgerte sie lange, obwohl das ihre einzige Berufsausbildung war.
1945 nach Kriegsende erlebte sie, wie alle Bürger Stuttgarts und anderer Städte, eine wirtschaftliche Not und war zudem noch von Krankheit geschwächt.
Als erfahrene Frau im Werkbund wurde sie Mitbegründerin des neuen Deutschen Werkbundes und Präsidiumsmitglied des "Rates für Formgebung". Beides waren Positionen, die durch Berufung und nicht durch Beitritt zu erlangen waren.
Auf Beschluß des Deutschen Bundestages vom
4. April 1951 hin konstituierte sich am 13. Oktober 1952 der "Rat für Formgebung" als dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte Instituion.
Der "Rat der Formgebung" und hier auch Mia Seeger stellte Kriterien für die Auswahl von Produkten der Industrie auf und beeinflußte vor allem das Bild, das man sich im Ausland von deutschem Design machte.
Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard selbst berief
Mia Seeger in den "Rat" 1954 wurde sie Geschäftsfürendes Vorstandsmitglied.
Mia Seeger war Mitglied der Inhaltskommisssion und Vorsitzende der Fachjury für die deutsche Beteilung der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Sie wählte aus, und empfahl, was als gutes deutsches Design zu gelten hatte.
Es soll einmal ein Paket von Bundeskanzler Konrad Adenauer angekommen sein, das eine Plastik enthalten hat. Adenauer wollte diese Plastik ausgestellt haben. Mia Seeger öffnete die Kiste, betrachtete die Plastik und meinte: "Der Herr Bundeskanzler hat andere Aufgaben". Sie hat den Auftrag gegeben, die Plastik wieder in die die Kiste einzupacken und zurückzuschicken.
Was Politikern aus Bonn nicht gelungen ist, erreichte Mia Seeger durch ihre Persönlichkeit. Völlig unerwartet kam im Jahr 1965/66 eine Einladung aus Warschau an sie.
Mia Seeger gestaltete eine Design Ausstellung in Polen.
Als sich im "Rat für Formgebung" eine grundlegende Änderung der Design-Politik anbahnte, nahm Mia Seeger ihre Pensionsgrenze wahr.
Aber sie wirkte viele weitere Jahre als Jurorin in Gremien des Designs, als Beraterin junger Designer und Wissenschaftler als wichtige Zeitzeugin mit.
Man nannte sie auch die "große alte Dame des Designs". 1984 ernannte sie der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth zur Professorin
Mia Seeger starb im Mai 1991 mit 88 Jahren und war bis zuletzt Ratgeberin und weise Frau.
Ernsthafte Arbeit erkannte und unterstützte sie, oberflächliches, modisches Tänzeln im Design verabscheute sie.
Für Designer, die in firmeneigenen Designabteilungen arbeiteten, stiftete sie einen Ehrenpreis, weil sie fand, dass es nicht genüge, wenn ein Produkt als Werksentwurf bezeichnet würde.
Die Mia-Seeger-Stiftung wurde Alleinerbin, das Design Center Stuttgart des Landesgewerbeamtes Baden-Württemberg stellte seine Nachwuchförderung unter ihren Namen. Es können in jedem Jahr Preise und Stipendien vergeben werden.
Mia Seeger war ein ganz besonderer Mensch in einer Männerwelt, die ihr nicht schenkte.
Ihren Einfluß auf das deutsche Nachkriegsdesign nutzte sie.
Mia Seeger war eine anziehende und schöne Frau, gut gekleidet und immer gut frisiert und dazu war sie noch kompetent.
Es verwundert nicht, wenn in einem der vielen Nachrufe zu lesen isr, dass sie auch durch ihr Auftreten "vor allem männliche Diskussionsgegner" zu wohlüberlegten Fragen oder Argumenten zwang.
Mia Seeger zeichnete und entwarf nicht, sie war ihr Leben lang Organisatorin, Jurorin und "Künstlerische Beraterin" wie sie vom Finanzamt geführt wurde.
Sie führte die Geschäfte und wachte über die inhaltliche Qualität.
Der Wegbegleiter und Mitstreiter im Deutschen Werkbund nach dem Kriege, Walter Rossow, sagte an ihrem Sarg:
"Wir haben eine große Freundin verloren, zu der wir immer respektvoll aufblicken. Wir haben unsere Königin verloren."
In Stuttgart gibt es eine Mia-Seeger-Straße. die nahe der Heilbronner Straße liegt und nahe auch am Killesberg. der Weißenhof- und der Holzwurmsiedlung.
Beides interessante und sehenswerte Siedlungen, wie es einige in Stuttgart gibt.
Neben der Straße ist eine kleine grüne Insel, auf der diese wunderhübschen Bäume stehen. Ich war mir nicht sicher, ob es Zieräpfel sind.
Bei der Stadt Stuttgart, beim Garten- und Friedhofsamt habe ich nachgefragt und eine freundliche Antwort bekommen. Im
dortigen Baumkataster sind sie mit 249 = Zieräpfeln eingetragen. Also sind das Zieräpfel.
Vielen Dank Herr T. für die freundliche Auskunft und den netten Mailwechsel.
Ich bin mit dem Rad vor einigen Tagen hier gefahren und habe die Straße besucht. Ich war auf dem Pragfriedhof, auf dem Mia Seeger in der Abteilung 2 begraben ist. Leider habe ich das Grab nicht gefunden, das werde ich aber nachholen.
Es gibt noch mehr Frauen dem Süddeutschen Raum, ich werde immer wieder mal von ihnen berichten.
Mein Freund der Baum
Quellen:
Karin Kirsch "Mia Seeger"
Design Center Stuttgart, Mia Seeger Stiftung
Tagebuch Lina Daimler
Stuttgarter Zeitung
Stuttgarter Nachrichten
Prof.Walter Rossow, Nachruf vm 8.5.1991, gesprochen am
21.5.1991.
Guten Morgen, liebe Eva,
AntwortenLöschendanke für diesen interessanten Bericht über diese Designerin!
Ich wünsche Dir einen zauberhaften und freundlichen Wochenteiler!
♥️ Allerliebste Grüße, Claudia ♥️
Guten Morgen Eva,
AntwortenLöschenals meine Tochter nach der 10ten Klasse die Fachoberschule für Gestaltung besuchte, habe ich mich mit ihr mit dem Thema Bauhaus auseinandergesetzt. Sie musste eine Werksarbeit aus Text, Bilder und Zeichnungen zusammen setzten. Viele der von Dir genannten Namen sind mir bekannt. Der Name Mia Seeger ist dabei jedoch nicht aufgetaucht.
Ich finde es aber immer wieder erstaunlich, dass so einige Frauen in der damaligen Männerwelt ihren Mann gestanden haben. Trotz aller Widerstände! Eine tolle Frau !
Durch die Weißenhaussiedlung bin ich auch schon spaziert ohne es damals zu wissen. Diese Bauten fand ich schon damals sehr interessant und hatte Foto´s gemacht. Es war wohl so eine Art Fügung, dass meine Tochter diese Schule besuchte, dieses Thema bekam und ich dazu Fotographien hatte.
Danke für dieses informativen Bericht über Mia Seeger!
Liebe Grüße in den Mittwoch!
Monika
Liebe Moni,
Löschenherzlichen Dank. Ich bin schon durch die Weißenhof Siedlung gegangen,
als ich an der Kunstakademie in Stuttgart gewesen bin. Damals war sie nochnicht renoviert und dümpelte vor sich hin.
Inzwischen kenne ich jedes Haus und jeden Architekten, der Häuser. Mein Kollege hat mich schon so oft auf Führungen mitgenommen. Ich bin immer wieder begeistert vom "Araberdorf", wie Adolf Hitler es nannte und er es abreißen lassen wollte.
Der Krieg kam dazwischen und heute ist es ein Schmuckstück, das auch mit dem Corbusier Haus einzigartig in der Welt ist.
Dieses Haus kann man besichtigen und es ist schon eine klasse Sache, ich schreibe mal was darüber.
Lieben Gruß Eva
Liebe Eva,
AntwortenLöschenwas für eine interessante Frau, was für ein außergewöhnliches Leben. Danke für diese Vorstellung, ich habe wirklich Achtung vor ihr und ihrem Schaffen sowie natürlich vor ihrer Willenskraft und ihrem besonderen Stehvermögen. Dieser Beitrag ist eine echte Bereicherung.
Schönen Tag und liebe Grüße
moni
eine sehr interessante Frau
AntwortenLöschenbekannt ist sie mir nicht
aber sie hatte wohl großen Einfluss
danke für die Vorstellung
liebe Grüße
Rosi
Mir ist die Dame auch nicht bekannt gewesen, aber was du schreibst liest sich alles sehr spannend. Kein Wunder, dass man ihr diese Hochachtung entgegen bringt.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Arti
Hallo meine Liebe,
AntwortenLöschendas ist ein super Blogpost. Da ich Kunstgeschichte studiert habe, habe ich mich auch mit Gropius usw. befasst. Wirklich eine sehr interessante Frau und tolle Designerin:)
Ganz liebe Grüße aus Stuttgart :)
Isa
www.label-love.eu
Liebe Eva,
AntwortenLöschenvielen Dank das du uns diese interessante Persönlichkeit vorgestellt hast. Es ist beeindruckend was diese Frau geschaffen hat.
Ich wünsche dir einen schönen Feiertag.
Liebe Grüße vom Emma und Lotte Frauchen