Galerie Stihl in Waiblingen
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Vorletzten Sonntag war ich bei einer Ausstellung in der Galerie Stihl in Waiblingen.
Sicherlich kennt man ja die Firma Stihl. Hier habe ich ja mal in Remseck den Besitzer des Schlösschens Herrn Stihl kennengelernt.
https://schwabenfrau.blogspot.com/2021/11/radtour-zum-schlo-serach-und-noch-einen.html
An diesem Sonntag habe ich mir die Ausstellung
Gewitzt, Gewagt, Gezeichnet
angesehen.
Die Ausstellung geht noch bis zum 12. Februar 2023 und wer die Möglichkeit hat, sollte diese Ausstellung besuchen.
Es geht um den Simplicissimus, das war eine Satirezeitschrift und die erste Ausgabe erschien im Jahr 1896.
Näheres kann man unten lesen. Ganz besondere Künstler haben beim Simplicissimus mitgearbeitet.
Ich bin mit dieser Zeitschrift in den Nachkriegsjahren aufgewachsen, denn mein Vater hat sie schon in den 1920er Jahren bis 1940 gelesen und nach dem Krieg wieder.
Diese Zeitschriften hat er alle binden lassen und sie schmücken heute das Regal meiner Schwester.
Ich blättere gerne darin, wenn ich zu ihr gehe, aber eigentlich hätte sie die Zeitschriftenbücher gerne los.
Also, wer Interesse hat, über den Preis kann man sich einigen.
Thomas Theodor Heine
Die Simplicissimus-Bulldogge
Die rote Bulldogge, die sich von ihrer Kette losgerissen hat und jederzeit auf ihren Provokateur losgehen kann, ist das Sinnbild für den Simplicissimus vor dem ersten Weltkrieg geworden. Sie taucht bereits im ersten Jahrgang am 23. Mai in Heft 8 auf. Darin pinkelt sie einem Polizisten an das Bein, der gerade das Ausstellungsplakat von Heine von der Litfaßsäule entfernen will. Hiermit beginnt das sprichwörtliche "Ans-Bein-Pinkeln" der Obrigkeit, was für den Simplicissimus bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges kennzeichnend ist und seinen "Biss" ausmacht.
Städt. Galerie im Lenbachhaus und Kunsthaus München
Interessant sind die Zeitschriften bis zum 1. Weltkrieg, um die Weimarer Republik bis hin zu der Machtübernahme Adolf Hitlers und den 2. Weltkrieg.
Ja, die Amerikaner kommen aber auch hier nicht gut weg.
Titel
"Im Maulaufreißen nehm´ich´s mit ganz Europa auf."
Sehr eindrücklich und plakativ verurteilte Paul die imperialistische Außenpolitik Theodore Roosevelts, der auf dieser Karikatur zu sehen ist. Als Ungeheuer mit Spinnenbeinen und Reptilienfüßen überschreitet dieser die mittelamerikanischen Inselgruppen und schwingt dazu gefährlich mit dem Messer. Dabei wird sein Machtanspruch mit den Kolonialansprüchen Europas verglichen.
Erschienen im Simplicissimus im Jahrgang 6, Ausgabe 44, Seite 345
Bild: Staatliche Sammlung München
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Eduard Thöny
K.K. Brachialgewalt
1911, Tusche, Deckweiß und Gouache
"Wenzel, ich würd dich durch die Wand schmeißn, dass du wirst, wie ein Abziehbild
pappn bleiben. Alsdann kann dich dein Schatz am Sonntag zum Spaziergehen runterkratzn."
Erschienen im Simclicissimus im Jahrgang 16 Ausgabe 7, Seite 119.
Privatsammlung Sterzing Südtirol
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Wenn man sieht, welche Künstler hier Werke für die Nachwelt geschaffen haben, ist man schon beeindruckt.
Ich kenne viele dieser Bilder, habe sie aber noch nie im Original gesehen.
Die Zeitschrift war teilweise recht böse, aber immer und immer wieder hat es das Zeitgeschehen auf den Punkt getroffen.
Ich zeige heute ein paar Bilder, die höchst interessant sind und einen kleinen Eindruck vermitteln. Alle kann ich nicht zeigen. Ich habe sie zwar fotografiert, aber das wäre zuviel.
Man kann auch verfolgen, wie man in den 1. Weltkrieg geschlittert ist und nach der Weimarer Republik in das 3. Reich. Schon beeindruckend.
1904, Tusche, Deckweiß, Spritztechnik
Auch hier eine herrliche Karikatur, in der die Doppelmoral thematisiert wird. Auf dem Bild wird die Dame während eines Balls von einem Herrn zum Tanz aufgefordert.
Sie, wie sie sich herausgeputzt hat, scheint sie auf dem Sofa auf einen Verehrer zu warten. Doch dem sich andienenden Galanten gibt sie einen Korb mit der Begründung, dass sie noch nicht lange Witwe sei. Es wäre aber nicht sehr sittlich von ihr sich jetzt schon Vergnügungen hinzugeben. Ihre niedergeschlagenen Augen scheinen das zu bestätigen - ihre Begleitung im Hintergrund schaut derart lüsternd, dass es die Aussage Lügen straft.
Frauen und die Emanzipation
Thomas Theodor Heine
Aus Köln
1897, Tusche, Farbstift, Deckweiß über Bleistift auf Papier auf Karton aufgezogen
"Aber Schutzmann ich versichere Sie, dass ist eine Dame aus der besten Gesellschaft."
"Das sind gerade die schlimmsten."
Am Ende des 19.Jahrhundert gründeten sich auch in Deutschland die ersten Sittlichkeitsvereine. Diese Vereinigungen, deren Ursprünge in England liegen, dienten vorrangig der Bekämpfung der Prostituion. Sie setzten sich darüber hinaus aber
auch allgemein gegen die "Unsittlichkeit" ein. In Köln wurde zum Beispiel der "Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein zur Bekämpfung des religiös-sittlichen Notstandes" im Jahr 1888 gegründet. Weit bekannter ist die "XVI. Allgemeine Konferenz der deutschen Sittlicheitsvereine", die vom 2. bis zum 4. Oktober 1904 unter anderem in Köln stattfand und deutschlandweit Kreise zog.
Vor diesem Hintergrund ist die Karikatur von Heine zu sehen, in der eine Dame aus der gehobenen Gesellschaft von zwei Gendarmen abgeführt wird. Was genau sie angestellt hat, wird zwar nicht präzisiert. Die Überschrift weist aber auf einen Zusammenhang mit dem Thema Sittlichkeit auf einen Zusammenhang mit dem Thema Sittlickeit bzw. ganz allgemein der Frauenbewegung hin.
Simlicissimus Jahrgang 2, Ausgabe 19. Seite 145
Kunkel Fine Art, München
Bruno Paul
Zweifel
1901 Tuschpinsel und Deckweiß
"Mama, glaubst du wirkllich, dass wir auf diese Weise einen Mann kriegen."
Das Fahrradfahren war in Deutschland den Frauen erst seit 10 Jahren erlaubt, als die Karikatur von Bruno Paul erschien.
Mit dieser Inovation kam auch eine neue Art der Bekleidung in Mode, denn mit den langen Röcken war es unmöglich mit dem Rad zu fahren. Dennoch galt es immer noch als unschicklich, wenn Frauen zu viel Bein zeigten. Somit ist der Zweifel der beiden jungen Frauen gegenüber ihrer Mutter, ob sie denn jemals einen Mann an Land ziehen, durchaus berechtigt.
Simplicissimus, Jahrgang 6, Ausgabe 17, Seite 132
Staatliche Graphische Sammlung München
Thomas Theodor Heine
"Letztes Mittel"
Um 1902, Tusche und Deckweiß auf Papier"
Aber, lieber Freund, ist der Storch schon wieder bei Euch gewesen?" - Ach, weiß du, das ist ja das einzige Mittel, um meine Frau wenigstens zeitweise vom Klavier fernzuhalten."
In der Serie "Bilder aus dem Familienleben" ist auch diese Karikatur von Heine erschienen. Darin wird von einem Freund dem frischgebackenen Vater von nun sieben Kindern gratuliert. Der reiche Kindersegen entpuppt sich allerdings nur als das letzte Mittel, um die Mutter vom Klavierspiel fernzuhalten.
Simplicissiums Jahrgang 7 Ausgabe 9, Seite 72
Es gibt aber noch weitaus mehr zu sehen.
Zum Beispiel
Unruhige Zeiten und vieles erinnerte mich doch an unsere jetzigen Zeiten und wie man in die Weltkriege geschlittert ist. Das ist eine Tatsache.
Das Schreckgespenst des Herrn von Thielen
1898, Tuschpinsel, Deckweiß, Bleistift und Farbstift.
Simplicissimus im Jahrgang 3, Ausgabe 20, Seite 163
Es gibt noch viele andere Themen, die einem oft den Mund offenstehen lassen und es ist stimmt vieles schon sehr nachdenklich.
Bedrückend auch die Bilder von Käthe Kollwitz
Beim Arzt, Bilder vom Elend
1908, Kohle auf Ingres-Bütten
In dieser Zeichnung klopft eine schwangere Frau zögerlich an die Tür des Arztes. Käthe Kollwitz lebte mit ihrem Mann, einem Kassenarzt, seit 1891 im Berliner Norden, dem Arbeiterviertel Prenzlauer Berg. Sie kannte daher die Not der Frauen, wenn sie ungewollt schwanger wurden und die verheerenden Folgen des Kinderreichtums für proletarische Familien aus eigener Anschauung. In der Weimarer Republik wird sie sich sogar offen für die Abschaffung des § 218, der einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt, einsetzen. Doch bis dahin bleibt ihr nur der künstlerische Protest, der sich in diesem Bild hier eindrücklich zeigt.
Simplicissmus Jahrgang 14, Ausgabe 35,Seite 567
Käthe Kollwitz Museum, Köln
Weitere Bilder von Käthe Kollwitz.
Die Frauen waren damals - wie soll ich es ausdrücken - den Männern untertan.
Eine Frau konnte sich schlecht wehren, denn sie hatte ja ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen. Ich denke, man kann sich heute gar nicht mehr in so eine Lage versetzen.
Die Nachbarin von der Oma, Frau Weber hatte 8 Kinder.
Eine zierliche kleine Frau, éine Bauersfrau, die schwer arbeiten mußte und nebenher noch ihrem Mann "untertan" sein mußte.
Ja, so war das damals, heute jammert man ja, dass man sich überarbeitet.
Ich weiß nicht, was Männer in dieser Zeit gedacht haben.
Nix!
Ich kann nur sagen, wer sich für unsere Geschichte interessiert, kann hier einiges herausziehen und kennenlernen, sofern das Interesse besteht.
Manchmal rauf ich mir die Haare, dass viele Menschen so wenig Ahnung von Geschichte, ganz zu schweigen von Geographie, haben
Ein Griff zum Handy sagt auch nicht immer alles und vor allem nicht die Wahrheit.
Aber ich war positiv überrascht, als ich Eltern gesehen habe, die ihre Kinder mit dabei hatten und ihnen auch vieles erklärt haben.
Meine Hochachtung!
Ich kenne das von meinem Vater, danke, dass ich durch ihn soviel weiß.
Die Schule kann nicht alles vermitteln, da muß das Elternhaus schon mitmachen.
Thomas Theodor Heine
Konkurrenz für Oberammerau
1930, Tusche, Deckweiß auf Zeichenpapier
"Um den unlauteren Wettbewerb der jüdischen Religionsmythen zu bekämpfen, läßt Ludendorfff altgermanische Göttersagen von seinem rein arischen Anhängern aufführen.
Erich Ludendorff war 1923 aktiv am Hitlerputsch beteiligt. 1926 begründete er mit seiner Frau Mathilde den "Kampfbund gegen überstaatliche Mächte", der gegen Christentum, Judentum und Freimaurer kämpfte, und die "Deutsch-Germanische Religionsgemeinschaft".Die Karrikatur lässt ihm als völkische Konkurrenz zu den Oberammergauer Passionsspielen von 1930 das Stück "Baldurs Tod" auffführen. Lolle, der Mörder Baldurs, ist dem Klischee der "Judenkarikatur und damit dem Judas von Oberammergau angeglichen. Mit der Frau an der Kasse dürfte Mathilde Ludendorff gemeint sein.
Simplicissmus Jahrgang 35, Ausgabe B, Seite 93
Heil Preussen
1932, Tusche, Aquarell auf Papier
In meinem Staate kann jeder nur nach Meiner Façon selig werden.
Im Hintergrund der Zeichnung ist Friedrich der Große zu sehen, dessen Devise lautete:
" In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden." Sein Ausspruch ist auf den Machtanspruch Hitlers umgemünzt, in dem es für ihn nur eine Meinung gibt und zwar die seine.
Berlinische Galerie - Landesmuseum für moderns Kunst, Fotografie und Architektur
Ich war dann noch in einer anderen Ausstellung davon dann aber ein anderes Mal.
Waiblingen ist von hier aus gut mit dem Fahrrad über den Remtalradweg und auch über die S-Bahn gut zu erreichen. Man muß nicht immer mit dem Auto fahren.
Die Parkplätze sind auch sehr frequentiert.
Vom Bahnhof Waiblingen in die Innenstadt kann man sehr gut gehen und es gibt auch eine sehr gute Busverbindung.
Aber ich glaube, da habe ich Pecht gehabt.
Galerie Stihl
Der Simplicissimus 1896 - 1933,
Reinhard Klimmt und Hans Zimmermann
Kommentare:
AntwortenLöschenMan kann sich durchaus für Geschichte interessieren, ja mancher Lehrer lehrt Geschichte und denkt, er tut was Gutes. Dabei wird Geschichte von den Siegern geschrieben, also auch so in Geschichtsbüchern verewigt, fast unaustilgbar, wenn das Narrativ mal die Runde gemacht hat.
AntwortenLöschenJeder schreibt vom Vorgänger ab, das hat mein Vater gesagt, wenn es um die Geschichte des Kantons Thurgau ging, wahrlich keine weltbewegende Sache. Dass jeder von jedem abschreibt, kann man am Einheitsbrei der Massenmedien sehen. Und ist die Geschichte, egal ob wahr oder nicht, mal draussen, ist sie nicht mehr auszutilgen, Internet sei Dank auf ewig nicht mehr und geht herum auf dem ganzen Globus.
Ehrlich, ich weiss nicht mehr, wie ich Geschichte unterrichten soll, was ich den Kindern erzählen soll, ohne dauernd subversiv zu sein. Ich versuche, sie zum selber Denken anzuregen. Aber wie sollen sie denken, wenn der Kopf schon am Morgen vollgestopft ist? Und die Erwachsenen sind ja genau gleich unterwegs. Arbeit, Geld, Konsum, Unterhaltung, Ablenkung ...
Wie viele, resp. wie wenige haben noch diesen Durst nach Wissen und Verstehen? Und doch, ich bemüh mich nach Kräften und hoffe, dass der Same spriesst.
Liebe Grüsse von Regula
Weisst, mein Chef hat immer gesagt, das Internet weiß auch nicht alles und vieles bei Wiki stimmt so auch nicht mehr.
LöschenDa ist ein ordentliches Buch un dvor allem ein alter Atlas manchmal gar nicht sooo schlecht.
Aber, wenn ich die angehenden Lehrer an der PH so sehe und was sie von sich geben, da wundert mich nichts mehr.
Es ist so, ich parke ja oft auf dem PH Parkplatz, wenn ich an der PH was zu erledigen habe. Da bekommt man einiges mit.
Dir ein schönes Wochenende und liebe Grüße Eva
Was für eine tolle Ausstellung, liebe Eva,
AntwortenLöschendie würde ich auch gerne besuchen. Schade, dass alles immer so weit weg ist. Den Simplicissimus selbst kenne ich nicht. Leider hatte ich noch nicht Gelegenheit, eine Ausgabe in den Händen zu halten, aber ich denke, sie ist wirklich sehr interessant.
Die Marke Stihl kenne und schätze ich. Ich selbst habe eine kleine Kettensäge dieser Firma und bin damit sehr zufrieden.
Ich wünsche Dir ein wundervolles Wochenende.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
Ein toller Bericht. Ich kannte diese Zeitschrift gar nicht.Eine tolle Website mit schönen Fotos und tollen Informationen. Ein paar Touren bin ich schon nachgefahren. Alle Achtung.
LöschenFreundliche Grüße Gerhard Langner