Hokuspokus Hexenschuß
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Im Februar war ich im Stuttgarter Opernhaus in der Oper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck. Ich kenne die Oper schon von Kind an.
Das Hausmärchen der Gebrüder Grimm kennt man ja und, dass Eltern ihre Kinder aussetzen, hats auch schon gegeben. Vor allem nach der Wende, soll es ja Eltern gegeben haben, die ihre Kinder im Stich gelassen haben und in den Westen "rübergemacht" haben.
In den neueren Versionen des Märchens laufen die Kinder in den Wald, weil Hänsel einen Milchtopf im Übermut zerbrochen hat und die Kinder den Weg durch den Wald nicht mehr nach Hause finden.
Dass die Kinder von der Hexe zu Lebkuchen verarbeitet und dann gefressen werden, hat mich als Kind eher amüsiert als erschreckt.
Singt doch der Vater (Besenbinder), der angetrunken nach Hause kommt und Lebensmittel mitgebracht hat, weil er viele Besen verkauft hat.
Märchen - das sind kurze Erzählungen mit schönen Elementen.
"Hänsel und Gretel" zählt zu diesen "Volksmärchen".
Diesem Märchen kann aber kein namentlich bekannter Autor zugeordnet werden. Lange bevor die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm Anfang des 18. Jahrhunderts begannen, Märchen aufzuschreiben, wurden sie mündlich überliefert.
Weitergegeben wurden sie von Generation zu Generation und so kam es dann dazu, dass es von diesen Geschichten mehrere Variationen gab und so auch keine feste Form der Märchen vorherrschte. Die Gebrüder Grimm haben sie gesammelt und einheitlich gemacht.
Ich habe von dieser Oper und auch vom Struwwelpeter keinen seelischen Schaden davongetragen.
Heute noch muß ich über den Daumenlutscher grinsen, da kommt der Schneider zur Tür herein usw. Bei uns im Haus wohnte eine Familie mit diesem Namen und die waren genauso gruselig.
Ob sie allerdings Daumen abgeschnitten haben, das weiß ich nicht.
:-))
Viele Kinder sind mit diesem Märchen aufgewachsen und, wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Ob sie einen seelischen Schaden durch gerade dieses Märchen von Hänsel und Gretel davongetragen haben? Ich kenne Niemand.
Mit der Märchenoper Hansel und Gretel schuf Engelbert Humperdinck eine der populärsten und bis heute meist aufgeführten Opern.
Es gelang ihm ein Werk mit eingängigen Melodien mit einem kontrapunktisch dichtem Satz und spätromantischer Orchestrierungskunst und Harmonik zu verbinden.
Erfolgsgeheimnis war, seine Oper an die Volkstümlichkeit, wie sie aus Mozarts Zauberflöte, Webers Freischütz oder aber auch den Spielopern von Albert Lorzing bekannt sind, anzuknüpfen.
Wenn man die Oper anhört, kann man gewisse Stilmerkmal erkennen, die auch an Richard Wagner oder auch Richard Strauß anknüpfen.
Das ist mir früher nicht so aufgefallen, aber durch die Einführung im Opernhaus habe ich dieses Mal mehr darauf geachtet.
Humperdincks großes Vorbild war Richard Wagner und er wandte sich immer mehr dem Stil dieses Komponisten zu. Aber er versuchte auch, aus dem Schatten dieses Komonisten herauszukommen.
Das Komponieren von Humperdinck war von Volksnähe umgeben.
In "Hänsel und Gretel" verbindet Humperdink auch Volkslieder, wie z.B.
"Brüderchen komm tanz mit mir",
dieses Lied soll 1800 in Thüringen entstanden sein.
Das Libretto und auch die Texte zu den Liedern schrieb die Schwester von Humperdinck, Adelheid Wette.
Suse liebe Suse, was raschelt im Stroh,
Die Melodie von "Eia popeia, was raschelt im Stroh.
Das ist ein Wiegenlied aus dem 17. Jahrhundert.
Den Text schrieb Clemens Brentano für "Des Knaben Wunderhorn"
aus dem Jahr 1893.
Dort heißt es "Eio Popeio" und Humperdinck machte daraus "Suse liebe Suse" und so ist das auch ein Volks- und Kinderlied geworden.
"Knusper, knuser knäuschen",
oder
"Ein Männlein steht im Walde"
"Ein Männlein steht im Walde" ist eines von zahlreichen volkstümlichen Kinderliedern von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben aus dem Jahr 1843.
Eines der vielen sogenannten Rätselliedern.
Am 9. März 1890 schrieb Humperdinck an Cosima Wagner:
"In folge des außergewöhnlich trockenen und warmen winters schwebt der bacillus der komischen Oper latent und flüchtig in der luft umher. "
"Lieber Freund!
Influenza an allen Ecken und Enden!
"Hänsel" für den 5ten Januar verschoben!
Ich ärgere mich grün!
Nachrichten über Proben u. Einladungen zur Generalprobe erfolgt!
Herzlichen Weihnachtsgruß von Haus zu Haus!
Dein Felix Mottl
Ich ärgere mich grün!"
Nun aber zur Inszenierung dieser Oper, bei der ich mir manchmal eine alte Version des Bühnenbildes gewünscht hätte.
Während die Overtüre erklingt, läuft ein Video auf einer großen Leinwand, der noch einen kurzen Blick in einen grünen Wald zeigt. Doch dann schwenkt die Videocamera langsam über die Landschaft.
Die Tiere des Waldes ergreifen die Flucht, man sieht nur noch abgebrannte Stümpfe und züngelnde Flammen.
Von der ärmlichen Stube in der Hütte von Hänsel und Gretel sind nur noch ein paar Bauteile zu sehen, hier tanzen die Kinder vor den verkohlten Baumstämmen munter herum.
Sie singen fröhliche Lieder und sind modern gekleidet.und das in einer so dystopischen Welt.
Das passt meiner Ansicht absolut nicht. Wird aber in der ganzen Oper so weitergefüht.
Ich meine, Axel Ranisch, der Regisseur, hat der Oper "Hänsel und Gretel", die ja eigentlich eine Märchenoper ist, jegliche Romantik genommen und die Kinder, die diese Aufführung besucht haben, haben das sicherlich nicht verstanden.
Ranischs Botschaft Klimawandel und Umweltzerstörung.
Was das allerdings hier in dieser Oper zu suchen hat, ich rätsele immer noch.
Fakt ist, dass hier doch einiges von der Romanik dieser Oper verloren geht und hier auf die Armut überhaupt nicht eingegangen wird, es wird nur davon gesungen. Gottseidank ist der Text immer noch der "alte" und das wird hoffentlich auch so bleiben.
Ranisch meint ja im Programmheft selbst: "Die Geschichte mit dem aufpeppen, was dir wichtig ist".
Mit fällt dazu nichts ein, die Frage nach der Zukunft unseres Planeten gehört doch nicht in diese Oper. Aber das ist Ansichtssache.
Was mich auch erstaunt hat, es gibt kein Knusperhäuschen.
Das Ganze ist bunt und poppig. Hier naschen die Kinder statt Lebkuchen an merkwürdigen Scheiben herum.
Es sind die Produkte der Firma "Leckermaul".
Die Hexe ist der Chef dieses Unternehmens und ihre Geschäftsidee ist es, Kinderkörper zu Süßigkeiten zu verarbeiten. Die Produktion mit Kran und Fließband lässt sich im Hintergrund verfolgen.
Oupps, hat sich Ransich hier von dem Film Soylent Green inspirieren lassen.
Die Frage nach dem Sinn, was das soll, bleibt offen.
Nach einiger Zauberei mit dem Sandmann (Abendsegen) und den Kinderfängern und viel Hokuspokus der Hexe und einem totalen Chaos gibt es zum Schluß ein gutes Ende. Die gerettenen Kinder erscheinen mit den sieben Figuren, die schon während der ganzen Oper sich als "Kinderfänger" betätigt haben.
Mit dem Dank der Kuchenkinder - so sieht es das Libretto vor - löst sich sich die Oper mit dem trällernden Vater und dem schönen Schlußchoral in Wohlgefallen auf.
Ich weiß nicht, ich bin ja schon für moderne Bühnenbilder, aber diese Bühnenbild hat sich mir nicht erschlossen.
Was ich mit nach Hause genommen habe?
Das waren die herrlichen Stimmen von
Gretel: Eliza Boom
Hänsel: Lindsey Coppens
Hexe: Martina Mikelc´
Die so herzerfrischend und mit ansteckender Freude sangen.
Jasper Leever, er spielte den beschwipsten Vater so großartig, dass man schmunzeln mußte.
Da ich ja hier auch wieder einen hervorragenden Platz in der ersten Reihe hatte, konnte ich auch wieder in den Orchestergraben schauen und wieder Theaterluft schnuppern, das ist ein ganz besonderer Duft, Theaterluft.
Wer sie mal gerochen hat, weiß, was ich meine.
Das Staatsorchester spielte wieder einmal hervorragend und mit viel Freunde und es zeigt sich immer wieder, dass es eines der besten Orchester ist, das es gibt.
Stuttgart ist die Kulturhauptstadt, auch, wenn es viele nicht wahrhaben wollen.
Naja, wenn man mal vom Bahnhof usw. absieht.
Karsten Januschke dirigierte, ja, ich war zufrieden.
Alles in allem ein gelungener Opernnachmittag, Familienvorstellung mit vielen Kindern, der allerdings wieder auf dem Nachhauseweg am Bahnhof chaotisch war. Ich war froh, dass es noch heller Tag war und früh begann und früh endete.
Es ist schon gewöhnungsbedürftig, was sich an der Königsstraße und am Bahnhof abspielt.
Mir ist ein wenig Angst, wenn ich im März zu dem Ballettabend gehe, der halt in den späten Nachtstunden endet.
Aber ich bin ja für diverse Vorfälle gut gerüstet.
Das Programmheft zur Oper war wieder absolute Klasse mit viel Information und wunderschönen Bildern, die ich dann zu Collagen verarbeiten werde.
Aber, wie ich oben schon geschrieben habe, ein besseres Bühnenbild hätte ich mir gewünscht. So wie hier!
Das Märchen, das noch heute der erste Ratgeber der Kinder ist, weil es einst der erste der Menschheit gewesen ist, lebt insgeheim in der Erzählung fort. Der erste wahre Erzähler ist und bleibt der von Märchen.
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