Karoline (Chaile) Kaulla
Werbung und Ortsnamensnennung
Zwischen dem Pariser Platz und dem Hauptbahnhof in Stuttgart gibt es einen kleinen Weg mit den Namen
Karoline-Kaulla-Weg.
Ich fahre dort oft mit dem Rad vorbei, wenn ich in Richtung hoch auf die Fildern fahre, habe mich schon länger mit Karoline Kaulla beschäftigt und habe recherchiert. Vieles habe ich im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart gefunden, auch manches im Internet, aber die Recherchen vom Hauptstaatsarchiv haben mich doch erheblich weiter gebracht.
Das Schild zeigt auch, dass sie das größte Bankhaus in Stuttgart gegründet hat.
Da auch hier Stuttgart 21 "tobt", ist der Weg und auch das Schild etwas in Mitleidenschaft gezogen, das wird aber sicherlich wieder besser werden.
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Johann Baptist Seele:
Wer war nun Karoline Kaulla?
Sie wurde 1739 in der oberschwäbischen Reichsstadt Buchau am Federsee als ältestes von sechs Kindern geboren. Ihr Vater war Gemeindevorsteher mit Namen Raphael Isak, ihre Mutter hieß Rebekka Regensburger.
Raphael Isak war Hoffaktor in Sigmaringen und Hechingen und somit privilegierter Hoflieferant und Hofbankier bei den dortigen Fürstenhöfen.
Die Familie gehörte zu der im 18. Jahrhundert in Deutschland zunehmend an Ansehen und Einfluß gewinnenden Oberschicht aufstrebender jüdischer Kaufleute oder Handelsunternehmen, die sich von der Mehrheit der armen Juden absetzte, wohlhabend wurden und den Lebensstil des städtischen Besitz- und Bildungsbürgertums übernahmen
Karoline erhielt zusammen mit ihren Geschwistern durch Hauslehrer Schulunterricht und eine Erziehung die weit über dem des damals üblichen Niveau lag.
Ihr jüdischer Rufname war "Chaile" daraus enstand deutsch Karoline und später dann auch Kaulla. Die junge Frau wurde die erste bedeutende Unternehmerin und Kauffrau in Südwestdeutschland, die wir kennen. Sie wird sogar in der Neuen Deutschen Biographie in einem eigenen Artikel gewürdig.
1757, Chaile ist 17 Jahre alt, wird sie mit Akiba Auerbach in Hechingen verheiratet.
Alles, was man über ihn weiß, ist, dass er mit dem Studium der Thora und des Talmud, also mit den Grundlagen der jüdischen Theologie sich beschäftigte. Karoline überließ er die Sorge für das materielle Wohlergehen der rasch wachsenden Familie.
Karoline besaß die väterlichen und mütterlichen Erbanlagen, zu denen eine offensichtlich unternehmerische Initiative und geschäftliche Tüchtigkeit gehörte, denn auch die Regensburger waren Hoffaktoren. Karoline kümmerte sich nicht nur um ihre Kinder - sie hatte mindestens eine Tochter und fünf Söhne - sondern begann auch sehr zielstrebig mit dem Aufbau eines selbständigen Handelsunternehmen.
Sie wird Hofjüdin, d.h. sie ist Lieferantin der Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen und erhält als Neunundzwanzigjährige 1768 ihr Patent als dortige Hoffaktorin unter dem Namen "Kaulla Raphael".
Hier entstand aus "Chaile" ihr neuer Geschäftsname Kaulla, den bald auch ihre Kinder und ihre Brüder übernahmen.
Früh fing sie auch mit dem ausgabefreudigen Herzog Karl Eugen (er regierte von 1744 bis 1793) Geschäftsbeziehungen an.
Am 7.Juli 1770 wurde sie auf ihr Gesuch hin Herzoglich-württembergische Hoffaktorin.
Fortan wurde sie Madame Kaulla genannt und die Umstände, unter denen sie diese Geschäftstätigkeit in Württemberg übernahm, waren diffamierend, auch entsprechend den judenfeindlichen Gesetzen des Landes, die auch der Herzog nicht einseitig ändern konnte. Sie durfte sich nicht in den Residenzstädten Stuttgart und Ludwigsburg niederlassen, sondern wurde auf das reichsritterschaftliche Dorf Freudental (im heutigen Landkreis Ludwsburg) verwiesen.
Das Hauptgeschäft in diesen Jahren war die Lieferung von Waren für die Höfe von Donaueschingen und Hechingen, daneben auch der Handel mit Pferden, Juwelen und Silber. Dieser Handel entwickelte sich sehr erfolgreich, dass der älteste Bruder Jakob Raphael als Teilhaber in die Firma aufgenommen wurde.
Auch er nahm den Familiennahmen Kaulla an und 1780 wurde er, wie seine Schwester als Hoffaktor in Donaueschingen übernommen. Zeitweilig war er auch Chef der Firma, jedoch blieb Madame Kaulla die treibende Kraft des Unternehmens.
Seit 1777 war die Firma für Lieferungen an den Hof zu Donaueschingen von Zöllen befreit, aber 1783 erneuerte der neue Fürst Joseph Maria Benedikt von Fürstenberg die Patente für die Kaullas nicht mehr und damit begann eine gegen jüdische Handelsfirmen gerichtete Wirtschaftspolitik.
Karoline und ihren Bruder konnte das nicht mehr treffen. Ihre erfolgreiche Geschäftstätigkeit war schon so entwickelt, dass sie in der Lage waren, in den 1790er Jahren in großem Umfang neben dem Handel auch Geld- und Bankgeschafte zu führen. Das Fürstenhaus Hohenzollern-Hechingen erhielt von ihnen 1796 Darlehen von fast 40 000 Gulden. Eine Summe, die schon beträchtlich war, wenn man bedenkt, dass der Archivar des Markgrafen von Bayreuth ein Jahresgehalt von 1000 Gulden bekam und damit sehr zufrieden war.
Die Zeit der ganz großen Geschäfte setzte für das Haus Kaulla erst in den Jahren nach der Französischen Revolution von 1789 mit zahlreichen Kriegen, Feldzügen und den politischen Veränderungen ein.
Von 1790 an betätigte sich die Familie Kaulla in großem Umfang als Lieferant von Gütern des Heeres- und Kriegsbedarfs.
Mit den Gewinnen aus den Heereslieferungen stiegen Karoline und ihr Bruder nun in das Bankgeschäft ein.
Auch aufsehenerregende Ehrungen wurden den Kaullas nun zuteil.
Jakob Kaulla erhielt 1801 von Kaiser Franz II. den Titel eines Kaiserlichen Rats und durfte nun ein "von" vor seinen Namen setzen. Madame Kaulla bekam 1807 die Kaiserliche Zivildienstmedaille an goldener Ehrenkette.
Angesicht der wachsenden Finanzgeschäfte und der zunehmenden Verbindung mit Friedrich von Württemberg wollten sich die Kaullas mehr an Stuttgart orientieren. Aber der Protest der Stuttgarter Bürger und der Kaufmannschaft ließen das nicht zu. Dennoch wohnten die Kaullas immer wieder mal in Stuttgart in einem Haus, das ihnen der Herzog zur Verfügung gestellt hatte.
1800 endete diese Diffamierung, der Herzog ernannte Jakob Kaulla zum Hofbankier. Danach konnte niemand mehr sein Aufenthaltsrecht bestreiten, auch nicht das der Firmeninhalberin Kaulla & Co.
Im Einvernehmen mit Herzog Friedrich und vielleicht auch auf dessen Veranlassung errichteten die Kaullas für die Abwicklung ihrer Finanzgeschäfte in Suttgart als Tochterfirma das Bankhaus "M. & J." Kaulla.
Man kann es als Madame und Jakob deuten.
Der Herzog hatte maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung dieser Privatbank und wandelte sie 1802 in eine Hofbank um.
1906 wurde diese Hofbank von der Württembergischen Vereinsbank übernommen und ging mit der Vereinsbank nach der Inflation 1924 an die Deutsche Bank über.
Im März 1809 verstarb Karoline Kaulla siebzigjährig in Hechingen der Stadt in der sie die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte.
Ihr Grabmahl steht auf dem dortigen jüdischen Friedhof und ist ein pompöses Bauwerk das die Inschrift enthält:
"Hier ruht ein Weib, die groß in ihrem Volke, groß in ihrem Vaterland gewesen."
In einer Zeitungsnotiz wird sie erwähnt:
"Gestern starb die im südlichen Deutschland allgemein bekannte Madame Kaulla im 70sten Jahr ihres Lebens Sie war eine Frau von seltenen Geistesgaben und von einem edlen Charakter, Hofbanquierin am Königlich Württembergischen Hof und Chef des Wechsel- und Handelshaus Kaulla in Stuttgart.
Einen großen Teil des Segens, den ihr die Vorsehung zuwies, verwendete die Verewigte zum Wohltun. Sie war die Stütze der Notleidenden ohne Unterschied der Religion, und tausend Thränen der Armen hier und anderwärts fließen auf ihr Grab. Auch durch ihren letzten Willen hat sie die wohlthätigen Gesinnungen, die sie im Leben äußerte, versiegelt. Ihr Andenken bleibt im Segen."
Die Familie, der sie Namen, Reichtum und frühe Emanzipation gegeben hat, blühte in Stuttgart und anderen Städten bis in die Zeit der nationalistischen Terrorherrschaft.
Karoline gehörte auch zu den führenden Mitgliedern der im 19. Jahrhundert sehr rasch wachsenden jüdischen Gemeinde in Stuttgart.
Auf dem Stuttgarter Hoppenlaufriedhof zeugen heute noch mehr als ein Dutzend verwitterte Grabmahle im jüdischen Teil des Friedhofs davon.
Namentlich erwähnt seien
ein Großneffe von Madame Kaulla,
Dr. Alfred von Kaulla, Direktor der Württembergischen Vereinsbank.
Er war im ausgehenden 19.Jahrhundert im Auftrag der Deutschen Bank führend beim Eisenbahnaufbau in der Türkei tätig und hatte entscheidenden Einfluß beim Verwaltungsrat der Anatolischen Eisenbahngesellschaft. Diese erbaute ab 1899 die für die damalige wichtige Orientpolitik so wichtige Bagdadbahn.
Auch zwei Großneffen von Madame Kaulla waren der Stuttgarter Ehrenbürger Dr. Eduard von Pfeiffer und sein Bruder der Cannstatter Ehrenbürger Ernst Ezechiel Pfeiffer, denen die Stadt Stuttgart bis ins 20 Jahrhundert hineinreichende Stiftungen sozialer und kultureller Art verdankt.
Quelle und Bilder:
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Gemeinde Freudental im Landkreis Ludwigsburg
Landeszentrale für politische Bildung
Wolfgang Schmierer
Wikipedia
Das war eine der großen wüttembergischen Frauen, von denen ich dir noch einige zeigen werde.
Den jüdischen Friedhof in Hechingen werde ich gelegentlich besuchen und auch den Hoppelaufriedhof werde ich dir bei Gelegenheit zeigen, da werde ich mit dem Rad hin fahren.
Kommentare:
AntwortenLöschenMadame Kaulla schaut sehr imposant auf Deinem ersten Bild aus liebe Eva.
AntwortenLöschenSie war sehr geschäftstüchtig, Respekt, als Frau in den Zeiten eine Bank zu gründen.
Und auch die Todesanzeige finde ich wunderbar geschrieben.
Ein schöner Artikel, davon kannst du gerne mehr bringen.
Hab einen schönen Tag, lieben Gruß
Nicole
Es gab schon immer clevere Frauen, die es verstanden haben sich gegen die Männerwelt zu behaupten, Respekt, Respekt und dann noch in Geldangelegenheiten einfach toll, diese Frau.
AntwortenLöschenLieber Gruß
Edith
Eine interessante Frau,. Interessant auch, dass sie offensichtlich tätig werden durfte, während das anderen Frauen von ihren Männdern "verboten" wurde. Was geschah mit der Familie später, während der traurigen Jahre? Liebe Grüsse von Regula
AntwortenLöschenSoviel ich weiß, sind sie nach Amerika emigriert, sicher bin ich mir aber nicht.
LöschenHeute gibt es einige Menschen mit diesem Namen.
Mehr kann ich dir nicht sagen
LgEva
eine sehr interessante Frau
AntwortenLöschendie sich behaupten konnte
ihr Mann war ja da wohl eher unbegabt und widmete sich den geistigen Dingen ;)
ein sehr schönes Portrait
liebe Grüße
Rosi