Die Deutschen Linoleumwerke in Bietigheim (DLW)
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An einem Samstag im Oktober durfte ich kurzfristig eine Führung in dem Gebäude der Deutschen Linoleumwerke in Bietigheim besuchen.
Ich habe die Gelegenheit genutzt, denn normalerweise bekommt man dieses Gelände nicht zu sehen und wer weiß, vielleicht war es auch das letzte Mal, dass man das Gelände besichtigen konnte,
Eine Umfirmierung der DLW durch den US-amerikanischen Bodenbelagshersteller Armstrong in Armstrong-DLW-AG 2008 führte 2018 zur endgültigen Schließung des Standortes Bietigheim.
Das Gelände der Deutschen Linoleumwerke steht in Bietigheim an der Stuttgarter Str. 75 und ist für die meisten Einwohner Bietigheims ein weißer Fleck.
Es war ein Rundgang, der durch das ehemalige Verwaltungsgebäude, die Kantine und das Kraftwerk führte. Aber auch das Gelände mit den Produktionshallen zu sehen, war schon faszinierend.
Frau Eisele und Herr Dr. Florian vom Stadtarchiv in Bietigheim-Bissingen gestalteten diese Führung mehr als interessant und man bekam einen Eindruck von der Größe und der Produktion dieses Werkes.
Linoleum und Bietigheim gehörten lange Zeit untrennbar zusammen. Im Jahr 1899 siedelte sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs der erste Betrieb an. Er übernahm die Produktion des modernen Bodenbelages Linoleum aus Leinöl, Korkmehl und Jutegewebe.
Die Deutschen Linoleumwerke dehnten sich rasch aus und so entstanden hier auch die ersten Arbeitersiedlungen, auf die ich in einem weiteren Post noch eingehen werde.
Nach der Entwicklung des Linoleums in England im Jahr 1844 wurde in Staines bei London die erste Linoleumfabrik gegründet.
Auch in Deutschland gab es Bedarf für diesen neuen Bodenbelag. Die ersten Betriebe standen in Berlin, in Rixdorf und in Köpenick.
1882 gründete Heinrich Bremer in Delmenhorst die German Linoleum Manufacturing Corporation, die 1896 in Hansa Linoleum Werke AG umbenannt wurden.
1899 wurde das Jahr für weitere Firmengründungen dieser Branche. Maximiliansau wurde wieder aufgebaut, bei Köln nahmen die rheinischen Linoleumwerke Bedburg ihren Betrieb auf und in Berlin wurde in Eberswalde ein dritter Linoleumbetrieb geschaffen.
1899 wurde dann in Bietigheim von dem schottischen Linoleumfabrikanten Michael Nairn aus dem schottischen Kirkcaldy und dem Stuttgarter Linoleumhändler David Hellner die Linoleumwerke Nairn AG gegründet.
Bei einer Besichtigung des Nairn´schen Betriebes in Kirkcaldy hatte sich der Architekt Paul Manz genau über die Gebäudestruktur einer Linoleumfabrik informiert und gestaltete das Werk in Bietigheim nach den neuesten bautechnischen Erkenntnissen.
Für den Standort Bietigheim gab es viele Gründe. Es waren die guten Geschäftsverbindungen, die der Kaufmann Friedrich Grimm zu David Hellner hatte. Grimm handelte in seinem Kaufhaus mit Linoleum, das ihm Hellner lieferte. Aus dieser Verbindung entstand dann ein Verkaufsmonopol, denn Grimm und dessen Sohn erhielten von den Bietigheimer Linoleumwerken das alleinige Verkaufsrecht für Linoleum innerhalb der Stadt Bietigheim. Friedrich Grimm, war angesehener Gemeinderat seiner Vaterstadt und bewog die Grundbesitzer des Gewanns "Kürze" zum Verkauf ihrer Grundstücke.
Für den Bau des Werkes genau an dieser Stelle sprach auch der Anschluß an die hier verlaufende Eisenbahnstrecke.
Die Deutschen Linoleumwerke produzierten nicht nur Linoleum, sondern auch das preiswertere Stragula.
Stragula (der Name leitet sich vom lateinischen "stragulum" für Teppich
oder Decke ab) war preiswert und wurde von den Deutschen Linoleum Werken
(DLW) als billigere Alternative zum teuren Naturprodukt Linoleum
angeboten.
Im Jahr 1926 wurde in den Bietigheimer Linoleumwerken dieser neue Bodenbelag entwickelt. Es handelte sich hier um einen Belag, bei dem Pappe mit einem Rohstoff überzogen wird, der weder feuergefährlich noch gesundheitsschädlich ist.
Die Herstellung dieses Belages erforderte weitere bauliche Maßnahmen und somit eine weitere Erweiterung des Werkes.
Meine Oma hatte in ihrem Haus in Cleversulzbach Stragulabelag und ich war immer ganz fasziniert von der Musterung. So schlecht fand ich das gar nicht und ich bin überzeugt, dass das mal wieder kommen wird.
Die Musterung ist so ähnlich wie ein Perserteppich.
1928 erwarben die DLW von Hermann Melchior sein gesamtes Gelände, auf dem seit 1861 die "Umbachschen Dampfkochtöpfe" hergestellt wurden.
In den 1994/95 Jahren stellte die DLW noch einen Bodenbelag her, der die Vorteile von Linoleum bietet, gleichzeitg aber schwimmend verlegt wird. Auch Nadelfilzauslegeware und Fassadenverkleidungen wurden in den späteren Jahren hergestellt.
Von Anfang an hatte die DLW eine eigene Betriebsfeuerwehr, die mit den neuesten Erkenntnissen ausgestattet war.
Natürlich ist auch die DLW mit der Belegschaft durch Höhen und Tiefen gegangen, hat Kriege durchgemacht, Steiks und Inflation, sowie die Weltwirtschaftskrise erlebt und, gerade im Punkt Inflation usw. dachte ich beim Lesen oft, dass das ja bei uns im Moment genauso ist. Flüchtlinge mußten untergebracht und versorgt werden, die Wohnungsnot war groß. Die Geschichte wiederholt sich wohl immer wieder.
Am 8. April 1945 wurde der Westteil der Stadt Bietigheim von den Franzosen besetzt. Zuvor hatten die deutschen Truppen die Altstadt geräumt und alle Brücken und Verbindungen auf das andere Enzufer gesprengt.
In den Nachkriegsjahren waren Plünderungen an der Tagesordnung. Nicht nur die Besatzer selbst, sondern auch die unterdrückten Displaced Persons, auch Zivilisten nahmen alles mit, was nicht festgenagelt war.
Die Besatzungsmacht ging allerdings den offiziellen Weg der Plünderung, sie beschlagnahmten alles über die sogenannten Requirierungen. Die DLW trafen diese Requrierungen besonders hart
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Interessant ist aber auch, dass die DLW schnell die Bedeutung des Bauhauses erkannte und so den Architekten Ludwig Mies van der Rohe mit der Gestaltung ihres Standes auf der Leipziger Baumesse 1927 beauftragte.
Nach dem Urteil der Fachpresse wurde er als einer der besten Stände der Ausstellung gewertet.
Ludwig
Mies van der Rohe verwendete DLW Linoleum auch zur Ausstellung der
deutschen Industriestände auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona, die
ihn durch seinen deutschen Pavillon berühmt machte.
Hier entstand auch der Stuhl Barcelona, der als Sitzgelegenheit für das Königspaar diente. Das Design gilt als Klassiker und unzählige Warteräume und Lobbys repräsentativer Gebäude sind mit diesem Stuhl ausgestattet.
Auch im Haus der DLW stehen die Stühle Barcelona von Mies van der Rohe.
Es ist ein Stuhl, der mein Herz auch schon früher hat höher schlagen lassen. Allerdings ist er mir zu teuer. 1953 hat Knoll International in Korb bei Waiblingen die Rechte für diesen Stuhl erworben. Es gibt zwar viele billige Nachfertigungen. Knoll International fertigt aber diesen Stuhl, der ab 4.800 Euro kostet (nach oben keine Grenzen), nach dem originalen Verfahren und den originalen Stoffen. In den Rahmen der Originalstühle sind das Logo der Firma und die Unterschrift von Mies van der Rohe eingraviert.
Diese im Stühle Eingangsbereich der DLW sind echt, ich habe nachgeschaut.
Wie mein Herz beim Anblick dieser echten Stühle schlug, kann sich Jemand, der diese Stühle und auch den Bauhausstil mag, vorstellen.
Ich setzte mich mit Ehrfurcht in diesen Stuhl, während andere nur den Kopf schüttelten, keine Ahnung eben. Banausen!!! :-))))
Wenn man bedenkt, wie alt das Design ist und man den Stuhl heute noch sehen kann, das ist schon gewaltig.
Bauhaus eben.
Übrigens findet man immer wieder auf den Fußböden der DLW Einlegearbeiten von Linoleum. Auch im Linoleum sind verschiedene Muster von Linoleum eingelassen.
Walter Gropius
hat sich sehr für die hygienische funktionale und schöne Gestaltung von
Wohnungen im sozialen Wohnungsbau eingesetzt und verwendete auch in der
bekannten Dammerstock Siedlung in Karlsruhe verschiedene
DLW-Linoleumqualitäten.
Diese Siedlung habe ich schon vor Jahren besucht und möchte es gelegentlich wieder tun.
https://schwabenfrau.blogspot.com/search?q=Wei%C3%9Fenhof
Das Bauhaus verwendete in seiner Ausstellung "Die Volkswohnung" in Dessau und Leipzig den preiswerteren Fußbodenbelag Stragula von DLW.
Die Hochschule für Gestaltung Bauhaus Dessau schrieb dazu an die DLW am
29. November 1929:
"Gangspuren waren trotz der starken Inanspruchnahme von 25 000 - 30 000 Besuchern nicht wahrzunehmen."
1944 wurde die Produktion erheblich gesteigert und da fast die Hälfte der Belegschaft in Kriegseinsatz war, mußten nun Zwangsarbeiter herangezogen werden. Diese nach dem späteren Alliierten Sprachgebrauch "Displaced Persons" genannten Menschen hatten durch ihre "Sklavenarbeit" die Rüstungsindustrie mit allen Mitteln aufrecht zu halten.
Die Unterbringung in Lagern mit ihren zum Teil katastophalen hygienischen Bedingung vor allem im Durchgangslager am Bahnhof und DLW-Lager ließen die Todesrate der darin lebenden Menschen stetig ansteigen.
Die Zwangsarbeiter mußten ihren Beitrag am Essen bezahlen, ebenso hatten sie für die erbärmliche Unterbringung die Kosten zu tragen. Es blieben von den
50 Pfennig Stundenlohn für Männer und den 40 Pfennig für die Frauen oft nur geringe Beiträge übrig. Die Stadt erhob auch die sogenannte Ostarbeiterabgabe von 10,50 RM. Darüber hinaus kassierte sie noch Geld für Kleider und Schuhabgaben, sowie erhebliche Summen für die Krankenversicherung. Den Menschen blieb nicht viel übrig. Die Stadt erwirtschaftete an dem "Ostarbeitergeschäft" einen Überschuß von 20 000 RM, was manchem Bürger von Bietigheim peinlich war.
Zu dem Thema "Zwangsarbeiter" habe ich schon einige Berichte geschrieben. Am Bahnhof in Bietigheim sind verschiedene Punkte angebracht.Ich habe aber auch festgestellt, dass das keinen Menschen interssiert.
Geschweige denn, was hier auch passiert ist.
https://schwabenfrau.blogspot.com/search?q=Focke-Levin
https://schwabenfrau.blogspot.com/search?q=Gedenkst%C3%A4tte+Vaihingen-Enz
https://schwabenfrau.blogspot.com/2020/08/die-me-262-und-der-engelbergtunnel-das.html
Zwangsarbeiter wurden aber überall in großen Betrieben eingesetzt u.a. auch bei Mercedes Benz in Stuttgart.
https://schwabenfrau.blogspot.com/2022/02/vom-wohnort-uber-die-leibfriedschen.html
Hier ein Schautafel wie Linoleum hergestellt wird.
Es war im Gebäude sehr dunkel und nicht gut zu fotografieren.
Aber hier kann man es auch noch nachlesen.
besichtigen das Werk.
Bitte hier auch die wunderbaren Einlegearbeiten beachten.
Schon alleine das Treppenhaus ist ein Event und an den Fenstern kann man die Wappen der verschiedenen Linoleumwerke sehen.
Leider auch keine so gute Fotografie, aber es war nicht anders möglich.
Die vielen Leute, die auch fotografieren wollten, das Licht usw. machten es einem schon schwer.
Künstlers Fritz Melis.
Ganz interessant, was er alles so gestaltet hat.
Das Bild wird von Scheinwerfern angestrahlt und so war es nicht anders möglich, es zu fotografieren.
Das Bild gedenkt der Toten von zwei Weltkriegen.
Es hat mich ein wenig gestört, dass man nicht der Zwangsarbeiter hier gedacht hat.
Durch einen Gang gelangt man ins Freie und hier begeben wir uns durch eine Tür in den ehemaligen Speisesaal und die Küche.
Schon gewaltig finde ich und es riecht immer noch nach Essen.
Nach der Besichtigung der Küche und des Speisesaales und einigen Erzählungen dazu, ging es über das Gelände.
Die Produktionshallen sind leer und sind aber auch teilweise vermietet, dazu am Schluß noch etwas.
Ein weiterer Punkt ist das Kraftwerk.
Es ist ein absoluter Höhepunkt und ein El Dorado für jeden Fotografen.
Man kann hier gar nicht alles fotografieren und leider auch nicht alles auf einmal erfassen
Was ich hier so alles abgespielt hat, kann man nur erraten.
Nun hier das Kraftwerk mit allem Drum und Dran. Mir wird bei solchen Anlagen immer ein wenig schwummerig, auch weil es so dunkel ist.
Erdgeschoß

Damit war der Rundgang beendet, ich habe noch mehr Fotos gemacht, aber das alles kann man nicht fotografieren, obwohl es wirklich sehenswert ist.
Auf dem Gelände ist noch eine Autowerkstatt, die alte Autos wieder herstellt und so habe ich mich ganz kurz in eine Halle reingeschlichen und diesen Jaguar fotografiert. Es standen aber noch einige andere tolle Autos aus den 30er Jahren dort.

Aber es gab noch ein anderes Auto und zwar den Topolino von Fiat, der von 1936 bis 1955 hergestellt wurde.
Damals hat man auch noch Samstags gearbeitet, den ganzen Tag.
Vergessen darf ich aber auch nicht die Quelle zu diesem
Post.
Blätter zur Stadtgeschichte, herausgegeben vom Archiv der
Stadt Bietigheim Bissingen.
Morgen gehts wieder auf Radtour und dann am Montag zeige ich eine kurze Tour nach Stuttgart, die wir auch im Oktober gefahren sind.
Es kommen noch einige.
;-)))))
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Kommentare:
AntwortenLöschenLiebe Eva,
AntwortenLöschenein wirklich toller und sehr lesenswerter Post. Da habe ich wieder viel gelernt, welche Bedeutung Linoleum hatte war mir nicht bewusst und die Böden sind, zumindest auf den Fotos, sehr schön. Ich glaube auch, dass das nochmals wieder kommen könnte, da es ja anscheinend auch sehr stark beansprucht werden kann, ohne dass man es sieht und es auch ein Naturprodukt ist.
Mich hat auch besonders die alte Technik begeistert, vielleicht, weil ich die noch verstehe und denke, dass man sie noch eher reparieren kann, als die moderne Technik, die zwar sicher besser ist, aber auch wesentlich komplexer.
Vielen Dank für den schönen Post.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
Hallo Eva,
AntwortenLöschenWas hast du dir Mühe gemacht.
Ich bin begeistert und freue mich auf Dienstag und die Schokokuppel, Schmatz
Grüssle Melitta
Danke Melitta,
Löschenbis zum Dienstag.
LG Eva
In der Ausbildung damals habe ich erfahren, was für ein grossartiger Bodenbelag Linoleum ist. Aber in den 80er Jahren hat den kaum jemand verwendet, weil man ja das neumodige PVC verlegte. Ich hatte in meiner ersten Wohnung ein PVC-Badezimmer. Der unangenehme Geruch ... ich erkenne ich sogleich wieder.
AntwortenLöschenAnfangs der 2000er Jahre hatten mein Mann und ich die Gelegenheit, einen Anlass in der portugiesischen Botschaft in Wien zu besuchen. Der Saal war mit Linoleum ausgelegt, ein Schachbrettmuster schwarz-natur mit Einfassung. Es hat uns so gut gefallen, dass wir in unserer Küche einen ebensolchen Belag eingebracht haben. Das Material hat ja ein Revival erlebt, weil es natürlich ist.
In der Zwischenezeit sind wir umgezogen, und ich trage mich mit dem Gedanken, wieder einen Linoleum einzubginten, weil er so schön warm und auch weicher ist als Stein.
Ein unglaubliches Areal. Schön, wenn es in Teilen genutzt wird. In Winterthur wurde das Sulzer-Areal in Bahnhofsnähe umgenutzt. Das Ganzprojekt ist nicht zur Umsetzung gekommen, aber so nach und nach, über viele Jahre hinweg, ist etwas sehr Schönes entstanden. Viel Gewerbe, darunter auch Gastronomie und Wohnraum, so dass wieder Leben eingekehrt ist.
Wer weiss, ob sich für die LWB auch eine Zukunft auftut.
Noch was zu den Zwangarbeitern: vermutlich hat jeder grössere Betrieb sich mit diesen Arbeitskräften während der Kriegsajahre am Laufen gehalten. Die Konzentrationslager sind alle in der Nähe von Betrieben. BASF war glaub mit Auschwitz verbunden? Geschichte nicht unwirklich, wenn man nicht darüber spricht. Die Gefahr, dass sie sich wiederholt, ist sogar grösser ...
Mit Gruss
Dankeschön an alle, ich habe nochmals so ein Projekt, das ich im Rahmen einer Radtour besichtigen konnte, das war zwar nicht so umfangreich wie die DLW, aber duchaus interessant.
LöschenDas alles ist hier auch mit dem Rad gut zu erreichen Wir haben hier sovieles zum gucken.
Sodele, ich mache mich jetzt fertig und wir radeln und gucken auch wieder.
Waren zwar dort schon mal, aber es ist auch schön zu schauen wie weit der Herbst ist.
Liebe Grüße Eva